Palo Cortado hat in den letzten Jahren, entgegen dem allgemeinen Sherry-Trend, in den einschlägigen Zeitschriften einen regelrechten Boom erlebt. Mitverantwortlich dafür sind sicher die ihn nach wie vor umgebenden Mythen seiner Entstehung und sein Bonus als Relikt aus einer anderen Zeit, das über kurz oder lang vom Aussterben bedroht sei.
Was ist nun tatsächlich dran an diesen Mythen, wie entsteht, bzw. entstand Palo Cortado früher, kann man heute überhaupt noch Palo Cortado produzieren? Der Versuch einer Bestandsaufnahme.

Palo Cortado in der Literatur

Wie definiert/beschreibt die einschlägige Literatur Palo Cortado?

Palo CortadoBeginnen wir mit dem Standardwerk schlechthin, dem Oxford Weinlexikon von Jancis Robinson: „Ein traditioneller, auf einer Laune der Natur beruhender Sherry-Stil; er entsteht dadurch, dass während des Werdegangs die Florhefe ausfällt und einen zwischen Fino und Oloroso liegendem Wein ermöglicht, der wie ein Zwischenprodukt zwischen Amontillado und Oloroso schmeckt.“

Manuel M. González Gordon schreibt in seinem Klassiker „Sherry“: … spezifische Art von Oloroso, die ziemlich selten ist und nicht jedes Jahr produziert wird. Diese Weine sind in der Nase sehr klar, ähnlich den Amontillados, aber am Gaumen sehr körperreich, wie Olorosos … zwischen Amontillado und Oloroso.

Der Consejo Regulador schreibt in seinem Reglamento: … zwischen Amontillado und Oloroso, Nase Amontillado, Gaumen und Farbe wie Oloroso. Alkoholgehalt zwischen 17 – 22 %. Ausbau anfangs unter Flor, danach oxidativ.

Alle anderem im Umlauf befindlichen Beschreibungen beziehen sich letztlich auf oben angeführte „Definitionen“. Wie man allerdings sieht, sind all diese Definitionen rein organoleptische Beschreibungen, die letztlich keinerlei Aussage über die Art der Produktion treffen.

Ist nun Palo Cortado tatsächlich eine Laune der Natur, eine Art „Betriebsunfall“? Historisch betrachtet ja, heutzutage mit Sicherheit nein – doch stellt sich heutzutage die Frage, gibt es eine authentische Produktionsmethode, welche modernen Produktionsmethoden sind zulässig?

Palo Cortado – historisch betrachtet

Die Basis bildete ein auf 15 % gespriteter Grundwein mit genügend Finesse zum Ausbau als Fino, gekennzeichnet mit einem „Palo“ ( ein Kreidestrich in Form eines Stabes ) für für Fino bestimmten Wein. Aus irgendeinem Grund – abhängig von den Umständen und den historischen Bedingungen der Lagerung (unterschiedliche Fässer), unterschiedliche Gärverläufe, Schwankungen der Florhefe, das vorherrschen bestimmter Hefetypen, entwickelten sich manche Fässer anders als der Rest, bzw. anders als für Fino vorgesehen. Noch immer mit der erforderlichen Finesse in der Nase, aber mit einem wesentlich kräftigeren Körper, der mehr in Richtung Oloroso tendierte, was zu einer neuerlichen Klassifizierung des ursprünglich mit einem „Palo“ versehenen Weins führte. Der „Palo“ wurde durchgestrichen („cortado“) – daher auch der Name. Gleichzeitig erfolgte eine Aufspritung auf 18 %, was die Florhefe absterben ließ und der Wein wurde fortan oxidativ ausgebaut. Abhängig von seinem Körper wurden die Weine nach und nach mit bis 4 Cortados klassifiziert.

Kleiner Exkurs

Wie beim Thema Manzanilla/Fino beschrieben ernährt sich die Florhefe unter anderem von Sauerstoff, Polyphenolen, Alkohol, Fuselölen, flüchtigen Säuren und Glyzerin, wobei die Florhefe im Allgemeinen erst im 2. und 3. Jahr anfängt das Glyzerin zu essen, was dazu führt, dass die Palo Cortados neben der punzierten Flornase – Weine die jemals mit der Florhefe in Kontakt waren, verlieren diese Florcharakteristik in der Nase nie wieder, egal wie lange der oxidative Ausbau danach auch dauern mag – aufgrund des nicht „aufgegessenen“ Glyzerins einen Oloroso-ähnlichen Körper aufweisen.

Aber genau betrachtet weist diese traditionelle, historische Methode auch keine Geheimnisse auf – einzig, das nicht genau gesagt werden konnte, welche Fässer sich warum anders entwickelten – daher auch das Märchen, dass Palo Cortados aus einer Laune der Natur heraus passieren, und ebenso davon abgeleitet, überließe man das Entstehen des Palo Cortados weiterhin dem Zufall, wäre er tatsächlich vom Aussterben bedroht, ergibt sich doch heutzutage bei Vergärung im Stahltank mit 10.000 Litern mit all den Steurungsmöglichkeiten in der Bodega kaum noch die Chance auf einen „Betriebsunfall“ und damit für das zufällige Entstehen von Palo Cortado.

PC aus Oloroso

Die zweite Möglichkeit zur Entstehung eines Palo Cortados ist und war seit jeher das Entstehen aus einem urprünglich als Oloroso vorgesehenem Wein, der – auch hier weiß, bzw. wusste man nicht, warum genau – entgegen den Erwartungen eine Amontillado-ähnliche Nase und Finesse entwickelte. Diese Entwicklung konnte schon sehr früh passieren, doch genauso erst nach 20, 25 Jahren oder noch viel später.

Aber ursprünglich war auch diese Art von Palo Cortado eine Art „Betriebsunfall“. Doch alleine die Notwendigkeit die bestehenden Palo Cortado Criaderas und Soleras mit neuem, geeignetem Wein zu versorgen, lässt den Schluss zu, dass es mittlerweile gelungen ist, entsprechende Grundweine „auf Bestellung“ zu produzieren. Wie sieht diese Produktion heutzutage nun aus?

Moderne Produktionsmethoden

Die gängigste Variante ist einen für Fino geeigneten Wein mit etwas mehr Körper anfangs (maximal 1 – 2 Jahre, damit die Florhefe nicht genug Zeit hat das gesamte Glyzerin aufzuessen) unter Flor auszubauen, um die punzierte, finessenreiche Nase zu erhalten und anschließend die Weine oxidativ auszubauen und damit den Glyzeringehalt zu konzentrieren. Obwohl diese Methode dem ursprünglichen Entstehen wohl am nächsten ist, wird auch sie von Puristen abgelehnt.

Durchaus üblich ist auch eine Vermählung von Amontillado mit Oloroso – eine Methode die offiziell keiner macht, aber jeder kennt einen, „off the records natürlich“, der das so macht. Wobei diese Methode bei entsprechend langer Vermählungszeit durchaus annehmbare Ergebnisse hervorbringt.

Der Ausbau (mag er auch noch so lange sein) eines Amonillado zu einem Palo Cortado funktioniert in so ferne nicht, weil der Wein aufgrund des Glyzerinmangels nicht den entsprechenden Körper aufweisen wird.

Aber wie man sieht, braucht man sich an sich keine Sorgen um die notwendige Nahrung für die Criaderas und Soleras machen. Die Frage, die jeder für sich beantworten muss, ist allerdings, ob sich hierbei dann um „echten“ Palo Cortado handelt, beraubt man ihm doch damit seines Zufallsprinzips, das ja ursprünglich eines seiner Kriterien war.

ZUSAMMENFASSEND KANN MAN SAGEN, DASS PALO CORTADOS ZUMEIST DIE PRÄMIENPRODUKTE DER GEREIFTEN SHERRIES EINER BODEGA SIND, DIE ENTSPRECHEND RAR UND EXCELLENT SIND!

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